Koine: Die gemeinsame Sprache als Phänomen des Hellenismus

Koine: Die gemeinsame Sprache als Phänomen des Hellenismus
Koine: Die gemeinsame Sprache als Phänomen des Hellenismus
 
Die gemeinsame Sprache (»koine dialektos« oder »synetheia«) setzte sich seit den Eroberungszügen Alexanders des Großen im Alltag der griechisch sprechenden Welt rund um das Mittelmeer und weiter nach Osten mehr und mehr durch. Sie nahm ihren Ursprung am makedonischen Königshof; die Herrscher dort hatten angesichts der Randlage Makedoniens gegenüber der griechischen Welt danach gestrebt, sich griechische Kultur anzueignen. Da bot sich für die Zeit der Vorherrschaft Athens im 5. und 4. Jahrhundert als Sprachmuster das Attische an, so wie es im großen Einflussgebiet Athens gesprochen wurde; hinzu kamen sprachliche Einflüsse vom nahe gelegenen Ionien und von Nordwestgriechenland, wo ein dem Dorischen verwandter Dialekt gesprochen wurde. Aus diesen Elementen entstand am Makedonenhof ein neuer Dialekt, den Alexander der Große, seine Generäle, Soldaten und Verwaltungsbeamten in die griechische Welt hinaustrugen.
 
Diese neue Sprachform verdrängte mehr und mehr die gesprochenen Dialekte; sie zeigt allerdings eine große Varianzbreite. Literarische Werke, die in der Koine verfasst sind, wie die Geschichtswerke des Polybios und Diodor (im 2. beziehungsweise im 1. Jahrhundert v. Chr.) und das Neue Testament sind von der umgangssprachlichen Koine deutlich unterschieden, wie das Papyri und Inschriften zeigen. Das reine Attisch wurde allgemein als gekünstelte Sprache empfunden. Als Gegenreaktion darauf ist der im 1. Jahrhundert v. Chr. einsetzende Attizismus zu verstehen; seine Vertreter nahmen sich die attischen Redner des 5. und 4. Jahrhunderts zum alleinigen Vorbild; in der Kaiserzeit gab es sogar Lexika des reinen Attisch. Die Entwicklung, die sich im sprachlichen Bereich an der Koine zeigt, ist auch im kulturellen Bereich allgemein nachzuweisen: Die attische Kultur ging unter Aufnahme anderer Elemente in einer gemeingriechischen auf, der Kultur des Hellenismus, den man mit Alexander der Große beginnen und mit dem Ausgang der Ptolemäerherrschaft 30 v. Chr. zu Ende gehen lässt. Die Kultur blieb auch unter seinen rivalisierenden Nachfolgern, den Diadochen, gemeinsam.
 
In dieser Zeit ist eine einheitliche Lebensform in den griechischen Städten der bewohnten Welt (»oikumene«) festzustellen. Im Stadtbild fielen die recht ähnlich gebauten Palästren, Stätten für den Ringkampf, und Gymnasien auf, wo die Knaben ihre körperliche Ausbildung erhielten. Die geistige Ausbildung erfolgte in einem Dreischritt. Der »Grammatistes« unterrichtete mit harten Strafen Lesen und Schreiben; dann lernten die Kinder die Literatur, vor allem Homer, beim »Grammatikos« kennen; die dritte Stufe war die rednerische Ausbildung beim »Rhetor«. Doch gehörte zu dem, was man damals als Allgemeinbildung, als »enkyklios paideia«, verstand, neben der Rhetorik: Grammatik, Dialektik, Geometrie, Arithmetik, Astronomie und Musiktheorie. Es konnten danach aber auch Medizin, Baukunst, Rechtswissenschaften und Kriegskunst studiert werden.
 
Prof. Dr. Hans Armin Gärtner/Dr. Helga Gärtner

Universal-Lexikon. 2012.

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